About ohc | News | Dialog | Events | Links | Library Suche Login
Arbeit und Gesundheit | Public Health | Gesunde Schule | Gesundheit im Gesundheitswesen | Lernen und Wissen

  Home > Themenschwerpunkte > Mobbing > Mobbing - eine Schattenseite unserer schönen neuen Arbeitswelt ...
   Recent Changes (RSS 2.0) - OH-Forum

Eine neuere Version dieses Facts existiert bereits.. (anzeigen:)

Mobbing - eine Schattenseite unserer schönen neuen Arbeitswelt ...
 
Was es ist, und was es bringt. Hilfreiche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen.

Mobbing ist ein Phänomen, dem in der heutigen Zeit und der aktuellen Wirtschaftslage Tür und Tor geöffnet ist. Sehr viele Firmen leiden unter der aktuellen Wirtschaftslage und versuchen Kosten zu sparen, wo es möglich ist. Die einfachste Möglichkeit für Kosteneinsparungen ist die Reduktion der MitarbeiterInnenzahl. Das bedeutet, dass so gut wie jede/r MitarbeiterIn um seinen Arbeitsplatz fürchten muss, denn niemand weiß, wer als Nächstes gehen muss. Von den verbleibenden MitarbeiterInnen wird selbstverständlich angenommen, dass sie flexibel und belastbar genug sind, auch die Arbeit ihrer wegrationalisierten KollegInnen zu übernehmen. Der Stress durch die entstehende übergroße Arbeitsbelastung interessiert niemanden, weder KollegInnen noch Vorgesetzte.

Wenn der eigene Arbeitsplatz in Gefahr scheint, ist das für Betroffene eine existenzielle Bedrohung und eine enorme psychische Belastung. Ab sofort gilt es, die eigene Stelle mit allen Mitteln – auch mit unfairen – zu verteidigen, und mögliche KonkurrentInnen zu verdrängen. Der oder die Stärkere wird gewinnen, ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn man selbst es geschafft hat, eine/n MitarbeiterIn aus dem Unternehmen zu vertreiben, gibt es eine/n KonkurrentIn weniger, der/die den eigenen Arbeitsplatz bedroht[1].

Für den Arbeitgeber spielt es meistens keine Rolle, wer der „Täter“ ist und mit dem Mobbing begonnen hat, und wer das „Opfer“ ist. Für den Arbeitgeber ist der Konflikt ein Störfaktor, er erzeugt Unruhe und bindet Ressourcen, aber andererseits kommt den Führungskräften Mobbing unter den MitarbeiterInnen oft sehr gelegen: Sie müssen eine heikle Personalentscheidung weniger treffen, wenn ein/e MitarbeiterIn selbst kündigt – entweder weil er/sie entschieden hat, dass es nicht sinnvoll ist, sich einer psychisch so belastenden und krank machenden Situation auszusetzen, oder weil er/sie die Situation nicht mehr erträgt. Generell zeugen länger dauernde Mobbing-Konflikte in Unternehmen von Führungsschwäche, schlechtem Betriebsklima und falscher Kommunikation. Psychologisch sinnvoller ist eine klare Personalentscheidung: Wenn ein/e MitarbeiterIn freigesetzt werden muss, kann der Arbeitgeber diese Kündigung durch Outplacement-Begleitung (z. B. durch ArbeitspsychologInnen) sehr sozialverträglich gestalten. Es ist gänzlich falsch zu warten, bis sich MitarbeiterInnen in langwierigen Konflikten aufreiben und schließlich das Unternehmen verlassen. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits enormer betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Schaden entstanden: Zu viel Energie und Produktivität gingen auf Seiten der MitarbeiterInnen verloren, der Arbeitgeber selbst hat einen beachtlichen Image-Schaden erlitten, es gibt keine wirklichen Gewinner. Und der Mobber sucht sich sein nächstes Opfer.

Definitionen – Was ist Mobbing, und was ist es nicht?

Mobbing ist heute ein sehr gängiges Wort, es scheint IN zu sein, so seltsam das in diesem Zusammenhang auch klingt. In fast allen Firmen, die ich als Arbeitspsychologin besucht habe, wandten sich sowohl BetriebsrätInnen als auch einzelne MitarbeiterInnen mit diesem Problem an mich.

Die Herkunft des Wortes "Mobbing" ist mittlerweile weithin bekannt. Es kommt aus dem Englischen "to mob" und bedeutet, dass Menschen über etwas herfallen oder sich auf etwas stürzen. Einen randalierenden Haufen bezeichnet man als "Mob", laut Duden ist mobben "das ständige Schikanieren von Arbeitskollegen, mit der Absicht, jemandem von seinem Arbeitsplatz zu vertreiben."

Aber nicht jede Kritik, nicht jede Unfreundlichkeit oder jeder Konflikt ist Mobbing. Verschiedene internationale Mobbing-ForscherInnen haben sich auf folgende Merkmale von Mobbing geeinigt: Eine oder mehrere der 45 Mobbing-Handlungen, die Leymann definiert hat (siehe Kasten), müssen regelmäßig, mindestens einmal wöchentlich über einen Zeitraum von sechs Monaten auftreten und gegen den/die Mobbing-Betroffene gerichtet sein (Leymann, 1993, Kolodej, 1999, Einarsen, 2002). Dr. Christa Kolodej formuliert eine breit gefasste Definition von Mobbing, die alle Aspekte des Themas mit einbezieht: „Der Begriff Mobbing beschreibt eine Konflikteskalation am Arbeitsplatz, bei der das Kräfteverhältnis zu Ungunsten einer Partei verschoben ist. Diese Konfliktpartei ist systematisch feindseligen Angriffen ausgesetzt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, häufig auftreten und zu maßgeblichen individuellen und betrieblichen Schädigungen führen.“

Leymann & Niedl (1994, S. 64) beschreiben die Folgen des Konflikts und die Opferrolle gleichermaßen dramatisch wie treffend: „Das Opfer ist die Person im Konflikt, die infolge von psychischer Gewalt ihre psychischen Möglichkeiten verliert, schwere Lebenssituationen zu bewältigen, und die herausgeworfen wird oder riskiert, vom Arbeitsmarkt eliminiert zu werden“. Diese Worte zeigen, dass Mobbing kein Spiel ist. Es geht um die Vernichtung der beruflichen Existenz des Mobbing-Opfers.

Wie alles anfängt

Konflikte und Meinungsverschiedenheiten sind in allen menschlichen Beziehungen ganz normal und Teil der Kommunikation. Sie dienen dazu, den eigenen Standpunkt klar zu machen, und auch die Sichtweise des anderen kennen zu lernen. Normal ist auch, dass jeder Konflikt gelöst werden kann. Entweder kann der/die andere überzeugt werden, oder man respektiert die Meinung des/der anderen.

Kritisch wird es, wenn ein Konflikt zwischen KollegInnen beginnt, und eine Konfliktpartei nicht bereit ist, den Konflikt beizulegen. Dann kann Mobbing als Verdrängungs- bzw. Vernichtungskampf beginnen: Diese Meinungsverschiedenheit dient dem Mobber dazu, seine ersten Schikanen zu begründen, weitere Mobbing-Aktionen zu rechtfertigen und Verbündete für seine Seite zu gewinnen. Die Mobbing-Betroffenen beginnen über die Ursachen zu grübeln, warum sie sich in der Situation befinden, in der sie subtil, aber gnadenlos bekämpft werden, und was sie möglicherweise falsch gemacht haben.

[1] Das ist eine von vielen Erklärungen dafür, warum Menschen so etwas tun. Es ist auf keinen Fall eine Rechtfertigung für dieses grausame und verurteilenswerte Verhalten.




Metainfo:
Autor: Marion Venus; Copyright: Marion Venus; Publiziert von: Harald Kviecien (kviecien)
factID: 118487.2 (...Archiv); Publiziert am 14 Jul. 2004 14:33
 
Verweis(e) (1):