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Die versteckten Risiken von chemischen und biologischen Arbeitsstoffen
Wenn Sie das nächste Mal in ein Stück Brot beißen, atmen Sie vorher erst einmal tief durch und denken Sie an die Tausenden von Bäckern, die jedes Jahr ihr gesundes Atemvermögen einbüßen, weil sie in großen Maßen Mehlstaub ausgesetzt sind.
"Bäckerasthma" heißt diese Krankheit und ist nur eine der vielen berufsbedingten Erkrankungen, die die Gesundheit von Millionen Arbeitnehmern in Europa gefährdet, wenn diese sich biologischen, chemischen und anderen Gefahrstoffen am Arbeitsplatz aussetzen und sich dabei dieser Gefahr nicht bewusst sind.
Jüngsten Forschungsarbeiten zufolge kommt ein Viertel der 150 Millionen Arbeitnehmer in Europa mit Gefahrstoffen in Berührung, entweder haben sie direkten Umgang mit diesen Stoffen, sind Dämpfen ausgesetzt oder kommen mit kontaminierten Oberflächen in Kontakt. Krebs, Hautkrankheiten und Atemprobleme wie Asthma sind nur einige davon. Nach Schätzungen sind beispielsweise etwa 4 % aller Krebserkrankungen und bis zu 10 % aller Asthmafälle arbeitsbedingt.
Es geht hier um ein Problem, das jede Branche betrifft. Im Bauwesen beispielsweise verursacht das in feuchtem Zement enthaltene Chrom-VI in vielen Fällen schwerwiegende Ekzeme; der Einsatz von Lösungsmitteln in der Druck- und der Textilindustrie sowie in anderen Branchen, wie etwa in chemischen Reinigungen, kann das zentrale Nervensystem schwächen und zu Hautkrankheiten führen. Kanalarbeiter wiederum sind der Gefahr von Magen-Darm-Erkrankungen, Landwirte der von bakteriell bedingten Erkrankungen und Schreiner dem Nasenkrebsrisiko ausgesetzt.
Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass viele der Risken, die von chemischen Stoffen am Arbeitsplatz ausgehen, nicht ausreichend bekannt sind. Von den 30 000 handelsüblichen Chemikalien in Europa wurde nur ein Drittel systematischen toxikologischen Tests unterzogen. Verschärft wird die Situation noch dadurch dass laut Untersuchungen bis zu 40 % der chemischen Arbeitsstoffe mit bekannter Toxizität von den Herstellern falsch gekennzeichnet werden, und Forschungsarbeiten in einem EU-Mitgliedstaat haben aufgezeigt, dass bis zu 20 % der von den Herstellern erstellten Sicherheitsdatenblätter - in denen die Risiken und die erforderlichen Schutzmaßnahmen beschrieben sind - Fehler enthalten.
Trotz dieser Probleme ist die Lage jedoch nicht ganz so hoffnungslos, wie es scheinen mag. Zur Verringerung der Risiken kann einiges getan werden. In einigen Fällen kann einfach nur eine Absaugung nötig sein. In anderen Fällen können die gefährlichen Arbeitsstoffe durch sicherere Alternativstoffe ersetzt werden. Methylenchlorid, ein karzinogener Stoff, der beim Abbeizen verwendet wird, kann z. B. durch weniger giftige Alkaline ersetzt werden. Bisweilen ist es auch möglich, die Auswirkungen eines chemischen Gefahrstoffes durch Hinzufügen einer anderen Substanz zu neutralisieren. Zur Neutralisierung von Chrom-VI beispielsweise wird dem Zement in zunehmendem Maße Eisensulfat beigemischt.
"Obwohl chemische und biologische Arbeitsstoffe, wie Enzyme in der Lebensmittelindustrie, fester Bestandteil vieler Herstellungsverfahren sind, bedeutet dies doch nicht, dass wir die Gefahren als Preis für den Fortschritt hinnehmen müssen", sagt der Direktor der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Hans-Horst Konkolewsky. "Die Lösung besteht darin, die potenziellen Risiken zu begrenzen, indem die Risiken durch Gefahrstoffe bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern besser bekannt gemacht werden und gleichzeitig diese Gefahrstoffe entweder vermieden oder durch weniger gefährliche Stoffe ersetzt werden. Dies ist in kleinen und mittleren Unternehmen besonders wichtig, in denen es häufig an Kenntnissen im Bereich Toxikologie und Systemen zur Einhaltung der einschlägigen Vorschriften mangelt."
Um die Bedeutung dieser Thematik eindringlich vor Augen zu führen und die KMU und andere Unternehmen bei der Bekämpfung der Risiken durch Gefahrstoffe zu unterstützen, hat die Agentur eine europaweite Informationskampagne gestartet: "Gefahrstoffe handhaben - aber richtig!". Mit der Unterstützung einer Reihe von Hilfsmitteln, einschließlich eines Informationspakets in allen 11 EU-Sprachen und einer speziellen Website (http://osha.eu.int/ew2003/), soll diese Kampagne vor allem für diese Fragen sensibilisieren und anhand von guten Fallbeispielen aus der Praxis und neuen Forschungsergebnissen Lösungen vorschlagen.
Nach Ansicht der Agentur sollte jedes Unternehmen als einen der ersten Schritte vor Ort eine Bewertung der Risiken, die durch die Exposition gegenüber Gefahrstoffen bestehen, durchführen. (Von der Website der Agentur können Sie Dokumente mit entsprechenden Erläuterungen herunterladen.) Mit diesen Kenntnissen ausgerüstet sollten Sie systematisch einen Schwachpunkt nach dem anderen in Angriff nehmen, die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer senken, Kontroll- und Überwachungssysteme einführen und versuchen, Gefahrstoffe zu vermeiden oder zu ersetzen.
"Wir verfügen bereits über das Wissen, wie die Risiken, die von den meisten Gefahrstoffen ausgehen, reduziert werden können - und damit auch, wie der Preis, der von Menschen und in finanzieller Hinsicht möglicherweise zu zahlen ist, gesenkt werden kann -; wir hoffen, dass unsere Kampagne diese Informationen einem viel breiteren Publikum bekannt und zugänglich machen wird, insbesondere über unsere Website", sagt Hans-Horst Konkolewsky.
Die Europäische Woche für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit wird im Oktober in allen EU-Mitgliedstaaten, den Beitrittsländern und den EFTA-Staaten stattfinden. Ausführliche Einzelheiten über die Europäische Woche und die Möglichkeit zur Teilnahme finden Sie unter: http://osha.eu.int/ew2003/.
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