Bruckschwaiger Karl Referat: Camp-lab, Mittwoch, 2. August 2006
1) Tansania als Vorhof europäischer Asylpolitik?
Diese
Frage stellte Ende 2005 Vanessa Prinz in einem Artikel in der
Zeitschrift INDABA. Der Europäische Rat hatte am 19. September 2005
einen Aktionsplan im Rahmen des so genannten Haager Programms
festgelegt, wo Tansania als Standort eines regionalen Schutzprogramms
festgelegt wurde. Die Autorin sieht in diesen Schutzprogrammen einen
weiteren Schritt in Richtung der Abschottungspolitik der Eu vor
Flüchtlingen. Es soll nur die Wanderung gestoppt werden, aber es würden
keine Ursachen für Migration damit angegangen. Das Haager Programm
zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen
Union vom 4. November 2004 (Niederlande als EU-Vorsitz) setzt die
restriktive Migrations- und Asylpolitik fort, die schon 1999 in Tampere
grundgelegt wurde. Damit soll die illegale Einwanderung in die EU
eingeschränkt werden und die vorgesehenen Maßnahmen sind verschärfte
Kontrollen an den Außengrenzen der EU, Vereinheitlichung der
europäischen Visums- und Asylpolitik sowie der Aufbau eines umfassenden
Informationssystems über die Herkunftsländer. Die außenpolitische
Komponente sieht eine Rückkehr- und Rücknahmepolitik vor, also
verschiedene Maßnahmen zur leichteren Abschiebung der Flüchtlinge in
die Transit- und Herkunftsländer. War lange Zeit auch in Österreich von
sicheren Drittländern die Rede, so werden die Kriterien dafür jetzt
durch Verträge und Finanzhilfen hergestellt. Das Pilotprojekt in
Tansania wurde am 1. September 2005 unter der britischen
Ratpräsidentschaft beschlossen. Ich habe dieses typische EU-papier
schon im Februar dieses Jahres vorgestellt, im Verlauf der Vorbereitung
zu dieser Veranstaltung.
2) Warum Tansania?
Der
Aktionsplan selbst führt als Gründe für die Wahl Tansanias an, das
dieses Land schon die größten Flüchtlingspopulationen in Afrika
beheimate und dadurch schon von der EU durch ECHO, das
Notfallversorgungsprogramm, mit 13,5 Millionen Euro unterstützt würde,
die bisher den Lagern des UNHCR, den Flüchtlingsprogrammen der UNICEF
und dem Roten Kreuz zu gute kommen. Die neuen Programme sollen die
bestehenden Einrichtungen und Lager um eine Schutzkomponente erweitern,
aber die dafür bereitgestellten Mittel scheinen angesichts der zu
betreuenden Personenanzahl von 600.000 bis 700.000 sehr bescheiden zu
sein. So sind aus dem EU-Migrations- und Asylfond für Drittländer
AENEAS 4 Millionen Euro vorgesehen, für das Migrationsmanagement gibt
es weitere 5 Millionen Euro. Daher kritisiert OXFAM, dass man mit
solch geringen Summen für die ganze Region um die Großen Seen in
Ostafrika weder von einem wirklichen Schutz noch von dem im Papier
ständig beschworenen burden-sharing reden kann. Auch Vanessa Prinz
sieht in ihrem Artikel einen weiteren Schritt Richtung Festung
Europa, wobei die reichen EU-Staaten die Hauptlast der
Flüchtlingsbetreuung auf die Entwicklungsländer abwälzen wollen. Aber
nicht nur Flüchtlinge sollen geschützt werden, sondern auch das
gouvermentale Benehmen innerhalb der Staaten soll überwacht und der
Frieden zwischen den Staaten gesichert werden. Im Artikel 16 des
Papieres heißt es dazu das innerhalb solcher Programme regionale
Organisationen ermutigt werden sollen zur Beförderung des guten
Regierens (good governance), der Menschenrechte und der Beilegung von
Streitfällen zwischen den Mitgliedstaaten beizutragen.
3) Inhalt der Schutzprogramme
Grob
gesprochen besteht der Inhalt der Programme darin, die
Schutzkapazitäten der Drittstaaten auszubauen, oder weniger freundlich
formuliert, die afrikanischen Drittstaaten sollen die
Flüchtlingspopulationen nicht nur aufnehmen und ernähren, sondern auch
bewachen, registrieren und nach einer gewissen Zeit wieder in die
Herkunftsländer zurückschicken. Dazu beinhaltet das Schutzprogramm ein
Element, das heißt Refugee status determination procedure, also eine
Prozedur zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus, um zu verhindern, dass
man nicht lokale Arme und Bettler durchfüttert. Dann gibt es noch eine
Registrierungskomponente, basierend auf dem UNHCR project profile für
betroffene Personen, die, wie es heißt dazu beitragen könnte, die
Auswirkungen der Regionalen Schutzprogramme zu bemessen, aber auch
vielleicht dazu, den in Europa aufgegriffenen afrikanischen Migranten
in das richtige Lager zurückzuschicken. Das Programm sieht auch
ein Selbstschutztraining für die Personen vor, die in den Lagern mit
den Flüchtlingen zu tun haben, was den Sicherheitsaspekt betonen soll. Mit
dem vielen Geld soll noch die allgemeine Schutzsituation im
Aufnahmeland verbessert werden und die geplanten Projekte sollen die
ökologischen Bedenken der Auffangländer ansprechen und darüber hinaus
sollen sie disseminating information on the positive impact of
refuggees. Davon sind die Bevölkerungen der Auffangsländern nicht
immer überzeugt und so platte manipulative Maßnahmen werden
wahrscheinlich nicht reichen. Auch amnesty international schließt
negative Auswirkungen von großen Flüchtlingsgemeinschaften auf den
tansanischen Staat nicht aus. So titelte die tansanische
Regierungszeitung UHURU im Dezember 2004 We are tired of refugees und
beschuldigt die Flüchtlinge, an der Umweltzerstörung und der steigenden
Kriminalität schuld zu sein. Dazu der Artikel von Loren B. Landau
aus Millennium: Immigration and the State of Exception: Security and
Sovereignty in East and Southern Africa. Der Autor analysiert darin
die Bildung von vigilanten Gruppen in Westtansania, die die kriminellen
Flüchtlinge zu bekämpfen vorgeben und selbst eine Herausforderung für
die schwachen Sicherheitsorgane des Staates werden. Sie stellen das
polizeiliche Gewaltmonopol in Frage und schaffen einen Ausnahmezustand
mit ihren selbstorganisierten Kontrollen und Patrouillen.
4) Sich selbst bewachendes Afrika
Die
Regionalen Schutzprogramme gehören zum Vorfeld der europäischen
Festung, zu deren weiteren Betrieb jetzt das afrikanische Wachpersonal
rekrutiert wird. So fand am 10. und 11. Juli 2006 in Rabat, Marokko
eine Ministerkonferenz der EU-Staaten und von 27 afrikanischer Staaten
zu Migration und Entwicklung statt. Dazu gab es eine Gegenkonferenz
von migreurop mit dem Titel Migrationen, Grundrechte und
Bewegungsfreiheit, die alles das anführt, was die Regierungen in Rabat
in frage stellen. In der Stellungsnahme von Pro-Asyl (link auf no-racism.net) heißt es dazu: Der
Aktionsplan sieht verstärkte gemeinsame Grenzpatrouillen, so genannte
Interventionstruppen, bessere Polizei- und Geheimdienstkooperationen
zwischen europäischen und afrikanischen Staaten und effizientere
Abschiebepraktiken vor. Die Flüchtlingsabwehr auf dem afrikanischen
Kontinent wird künftig mit erhöhten EU-Finanzmittel ausgestattet
werden. Die Schlussfolgerung besteht darin, dass die afrikanischen
Staaten zu mehr oder weniger gut bezahlten Türstehern Europas gemacht
werden, ohne dass eine legale Einwanderungsmöglichkeit nach Europa
eröffnet wird. Dazu Gregor Noll: The Euro-African migration conference: Africa sells out to Europe auf der Website www.openDemocracy.net (link auch auf no-racism.net) Am selben Ort zu den künftigen Migrationperspektiven, fast schon optimistisch, siehe Saskia Sassen: Migration policy: from control to governance Die
Autorin vergleicht die mexikanisch-USA-Grenze mit der EU-afrikanischen
Grenze und sieht eine Entwicklung zu einer verwalteten Migration.